Bericht von der LEM

Siegerehrung der Meisterklasse, v.l.n.r.: H. Spaan (Turnierleiter), N. Callsen (4. Pl.), J. Bornholdt (2. Pl.), T. Bosselmann (1. Pl.), S. Koop (3. Pl.), T. Khachatryan (5. Pl.), T. Noldt (Vorsitzender des Elmshorner SC)

Kurzfassung für Eilige: Bei der LEM 2022 in Elmshorn haben Christian Axt (1. Platz Hauptturnier, Tabelle) und Sören Koop (3. Platz Meisterklasse, Tabelle) erfolgreich mitgespielt. Einen sehr kurzen Bildbericht gibt es beim Schachverband (von dort stammen auch die Bilder). Landesmeister wurde Tom Linus Bosselmann (Lübecker SV), Vizelandesmeister Joa Max Bornholdt (Lübecker SV) – herzlichen Glückwunsch auch an dieser Stelle!

Siegerehrung des Hauptturniers, v.l.n.r.: Heiko Spaan (Turnierleiter), M. Bielfeldt (2. Pl.), C. Axt (1. Pl.), R. Schäfer (3. Pl.), P. Kutz (4. Pl.), T. Noldt (Vorsitzender des Elmshorner SC)

Eine kleine Taktikauswahl, daran anschließend die Lösungen in einem ausführlichen Turnierrückblick (egoistisch habe ich 7x meine Partie und nur 1x Christian gewählt, da ich zu meinen Aufgaben die Hintergründe naturgemäß wesentlich besser kenne und leider doch nicht mehr die Zeit gefunden habe, ebenfalls 7 Aufgaben aus Christians Partien herauszudestillieren):

Aufgabe 1: Schwarz am Zug gewinnt.

Aufgabe 2: Was muss Weiß spielen, um zumindest nur leicht schlechter zu stehen?

Aufgabe 3: Schwarz am Zug gewinnt.

Aufgabe 4: Weiß am Zug gewinnt.

Aufgabe 5: Was muss Schwarz spielen und wie ist die Stellung einzuschätzen?

Aufgabe 6: Wie ist die Stellung zu bewerten (Weiß am Zug)?

Aufgabe 7: Wie soll Weiß am Zug den Bauern wiederschlagen?

Aufgabe 8: Wie kann Schwarz am Zug ausgleichen?

Lösungen und ein ausführlicher, subjektiver Rückblick:

Bei der diesjährigen Landesmeisterschaft habe ich das erste Mal seit 2013 wieder eine LEM gespielt. Damals hatte ich in der Meisterklasse gespielt und habe – wenn ich mich richtig erinnere – den Klassenerhalt geschafft, bei dem starken Feld (u.a. mit IM Mihail Kopylov) war auch auf nichts Anderes zu hoffen gewesen. Ich rechnete mit einer ähnlichen LEM und war froh, als meinem Freiplatzantrag für die Meisterklasse im August ohne zu zögern stattgegeben wurde. Umso erstaunter war ich, als ich mich nun zu Beginn des Turniers auf Setzlistenplatz 2 wiederfand. Bei einer sehr ausgeglichenen (und sehr jungen – ich habe mich mit meinen 33 schon fast alt gefühlt) Meisterklasse gehörte ich damit überraschenderweise schon zum Favoritenkreis.

Ebenfalls zum Favoritenkreis gehörte unser Neumitglied Christian im Hauptturnier (Setzlistenplatz 4). Leider waren wir die beiden einzigen aus unserem Verein, die Zeit gefunden haben. Und auch generell war die LEM mit ca. 60-70 Teilnehmern leider eher schwach besetzt (ich erinnere mich an Zeiten, als es >200 waren); Corona und der allgemeine Trend (Rückgang an Mitgliedern in den Vereinen und Turnieren) scheinen auch hier zugeschlagen zu haben. Nun aber zu den Partien:

Am ersten Tag hatte ich Glück, dass mein Gegner Friedrich Müller seine Chance(n) nicht nutzte und dass sein Kampfgeist im Endspiel schon etwas erlahmt war. Nach langem Spiel konnten meine durch die nächtliche Dunkelheit getarnten (offenbar ist auf dem Schachbrett zu wenig Bewegung für den Bewegungsmelder…) schwarzen Figuren im Endspiel den Sieg erzwingen; Lösung der Aufgabe 1: 1. … Kf4 2. b4 (andere Züge ändern auch nichts) e4 3. dxe4 dxe4 4. fxe4 Kxg4 5. Kg2 Kf4 und der schwarze König sammelt alle weißen Bauern ein. Als ich fertig war, war Christian schon längst nach Hause gefahren – von seiner Partie habe ich kaum etwas mitbekommen (er hatte gewonnen). Dies wurde in den nächsten Tagen quasi unser Running-Gag, da er immer und teilweise sogar einige Stunden vor mir fertig wurde; oft war er fertig, da waren bei mir erst ein oder zwei Bauern bzw. Figuren getauscht.

Ich war also gut gestartet, darauf wollte ich am zweiten Tag mit Weiß aufbauen. Mein Gegner Niklas Callsen hatte da leider etwas dagegen. Es wurde aus der Eröffnung heraus eine äußerst einseitige Partie zum Vergessen; Lösung der Aufgabe 2: Man sollte 1. dxc4 spielen, um bei leicht schlechterer Stellung im Spiel zu bleiben; ich überlegte mir aber die Variante 1. Sxa4? Dxd3 (cxd3 2. Sb6) 2. Ld2 Sb3 3. Sb6 Td8 4. Sxc4 und fantasierte mir noch Chancen herbei, die ich nicht hatte; zu allem Überfluss bemerkte ich einen Zug später, dass in der Variante auch 3. …Txa3 geht, wonach ich noch nicht mal das geplante 4. Sxc4 habe – die Partie nahm also den Verlauf 1. Sxa4? Dxd3 2. Dxd3 cxd3 und ich versuchte noch erfolglos ein paar Züge bei total verkorkster Stellung im Trüben zu fischen, wurde von Niklas aber nicht mehr vom Haken gelassen. Christian machte es besser und gewann wieder recht schnell.

Da an dem Tag eine Doppelrunde gespielt wurde, gab es gleich darauf die Chance auf Wiedergutmachung in Runde 3. Doch auch hier lief es zunächst nicht rund. Die Eröffnung zu schematisch gespielt und schon war ich in einer deutlich schlechteren bzw. glatt verlorenen Stellung. Als mein Gegner Taron Khachatryan zum taktischen KO-Schlag ansetzen wollte, übersah er jedoch eine Ressource meiner Stellung, wonach die Stellung wieder ausgeglichen war (bzw. laut Computer etwas zu meinen Gunsten kippte). Mit einem Figurenopfer konnte ich dann einen Königsangriff starten, der vielversprechend aussah. Die Stellung war zwar laut Computer im Gleichgewicht, doch mein Gegner schaffte die Umstellung von Angriff auf Königsverteidigung nicht und verlor schließlich durch einen taktischen Schlag recht rasch; Lösung der Aufgabe 3: 1. … gxf2+ 2. Txf2 Sxf2! 3. Lxc6 bxc6 4. Dxf4 Sh3+ 5. Kf1 Sxf4 und Schwarz verbleibt mit einer Mehrfigur. Christian spielte gegen einen stärker bewerteten Spieler remis und lag mit nun 2,5 aus 3 mit an der Tabellenspitze.

Nächster Tag, nächste Runde: Hier gewann ich recht glatt, nachdem mein Gegner Torsten Bahr hintereinander zwei weniger gute Züge gespielt hatte, wodurch die Partie dann auch verloren war; Lösung der Aufgabe 4: 1. Sf5 Sf2 2. Sxg7+ 3. Kf8 Sf5 4. Sxh1 Le3 und der Springer wird in zwei Zügen fallen, wonach Weiß das Läuferpaar gegen einen Turm Vorteil hat. Diesmal mit Schwarz erzielte Christian wieder gegen einen stärker bewerteten Spieler ein Remis. Wir beide waren mit 3 aus 4 in exzellenter Ausgangsposition für die finalen 3 Runden.

Der vorletzte Tag brachte eine Doppelrunde, durch die ich aus eigener Kraft die Tabellenführung hätte erlangen können, da ich im direkten Duell gegen die beiden jugendlichen Tabellenführer Joa Max Bornholdt und Tom Linus Bosselmann vom Lübecker SV spielte. Während der beiden komplexen und spannenden Partien fühlte es sich für mich auch an, als wenn ich Chancen gehabt hätte. Der Computer gibt mir Recht – in Bezug auf Verlustchancen. Siegchancen auf Grund einer objektiv vorteilhaften Stellung hatte ich hingegen nicht, sodass ich mit den beiden Remisen sehr gut bedient war. Lösung der Aufgabe 5: 1. … Dh2! (nicht Sb3? 2. Dh6 und der weiße Angriff schlägt durch) 2. Tg4 gxf5 (auf Sb3? folgt wieder 3. Dh6) 3. Df4 Dxf4 4. Txf4 und die Stellung ist ausgeglichen.

Lösung der Aufgabe 6: Die Ungleichgewichte sind im Gleichgewicht (Weiß: sehr aktive Figuren, ein luftiger König und zwei Freibauern, die aber isoliert sind und zur Schwäche neigen; Schwarz: eine Qualität sowie einen Bauern mehr – davon zwei gedeckte sowie verbundene Freibauern im Zentrum, dafür aber einen passiven Turm auf h7, einen verwundbaren Bauern auf h5 und schwache schwarze Felder im Zentrum, der König etwas luftig) der Computer bewertet die Stellung trocken mit 0.00 – nach 0.00 fühlte es sich aber für mich und meinen Gegner überhaupt nicht an, wir dachten, dass einer von uns auf Gewinn stünde, ohne aber sicher zu sein, wer (wir vermuteten eher Schwarz). Wir zogen beide die Notbremse und vereinbarten ein Remis (das hätte ich auch nervenschonender haben können, da mein Gegner mir bereits im zweiten Zug Remis angeboten hatte). Nachdem ich an dem Tag in Summe 9 Stunden gespielt hatte, war ich letztlich froh darüber, denn rechnen konnte ich nicht mehr wirklich gut. Christian legte mal wieder ein ganz anderes Tempo vor – sowohl in Bezug auf die Spielzeit als auch auf den Erfolg (zwei Siege).

Am letzten Tag konnte Christian damit den Turniersieg aus eigener Kraft schaffen. Mit einem Punkt Rückstand auf die beiden Erstplatzierten und mit der schlechteren Zweitwertung war der Turniersieg für mich hingegen nicht mal mehr theoretisch möglich, Platz 3 sichern war die Devise. Christian und ich konnten unsere Ziele beide erreichen, wobei ich erstmals sogar fast – aber eben auch nur fast – schneller als er fertig geworfen wäre. Ich hatte einen gewissen Anzugsvorteil aus der Eröffnung mitgenommen, spielte im Mittelspiel vielleicht nicht ganz optimal und kam in ein Doppelturmendspiel, bei dem mein Gegner Dennis Papesch den Moment der aktiven Gegenverteidigung verpasste. Aber auch passives Warten auf den richtigen Moment hätte sich für ihn beinahe ausgezahlt. Nach einigem Tausch hatte sich ein durchaus komplexes Turmendspiel ergeben, das ich dann letztlich aber gewinnen konnte. Lösung der Aufgabe 7: 1. cxd5 Kb6 2. Kc3 Kc5 3. d6 usw. (das Endspiel bleibt komplex und die Varianten zu umfangreich, um jetzt hier den weiteren Verlauf mit allen Varianten zu analysieren) ist im Vorteilssinne erforderlich; das Bauernendspiel ist leider nur remis, z.B. 1. Txd5? Txd5 2. cxd5 Kb6 3. Kc3 Kc5 4. d6 Kc6 5. Kc4 f6 6. exf6 Kxd6 7. Kb5 h6 8. Kxa5 g5 9. fxg5 hxg5 10. h5 (nicht 10. hxg5? f4 und Schwarz gewinnt, da sein König die Bauern aufhält, während sein Bauer das Wettrennen gewinnt) Ke6 11. Kb5 g4 12. a5 und beide Bauern laufen gleichzeitig durch, wonach das Damenendspiel auch remis durch Dauerschach wird. Christian wollte wegen der Bedeutung des Spiels einmal eine „seriöse“ Eröffnung spielen und bereute dies schon im 3. Zug, als ihn seine Gegnerin mit einer neuen Eröffnung überraschte. Er musste sich in der Folge irgendwie aus einer schlechteren Stellung nach der Eröffnung herauswurschteln. Als die Stellung schließlich ausgeglichen war, entschied sich seine Gegnerin, mit einem Figurenopfer Christians König freizulegen und diesen im Sturm zu erlegen. Der Angriff schlug aber nicht durch und so hatte Christian eine Figur mehr, die er dann langsam aber sicher verwertete; Lösung der Aufgabe 8: Mit 1. … Sxe4 2. Sxe4 d5 und der möglichen Fortsetzung 3. Ld3 dxe4 4. Lxe4 Te8 5. 0-0 Sxd4 6. Dxd4 Dxd4 7. Lf6 Lxb7 8. Lxb7 hätte Schwarz seine Eröffnungsprobleme lösen können, die Partie ist ausgeglichen. Vielleicht war es aber auch besser so, dass Christian dies nicht getan hat, da er später gewonnen hat.

Am Ende erreichte also Christian mit 6 Punkten aus 7 Partien einen hervorragenden 1. Platz im Hauptturnier und ich mit 5 Punkten aus 7 Partien einen ebenfalls sehr erfreulichen 3. Platz in der Meisterklasse – ob es am Wasser lag? Für Abergläubische wäre es schon auffällig, dass ich seit meiner Zweitrundenniederlage mir jeden Tag eine Flasche Mineralwasser Medium von Christian nehmen konnte (er hatte eine ganze Kiste im Auto dabei) und danach nicht mehr verloren habe (Christian hat das Wasser ab dem ersten Tag getrunken und im ganzen Turnier nicht verloren) – ich habe keine Ahnung, was die besonderen Ingredienzen dieses Wassers gewesen sein mögen, aber sie scheinen gewirkt zu haben. Sportlich war es also eine sehr erfolgreiche LEM, wobei insbesondere ich eher vom Glück (wenn es das im Schach gibt) gesegnet war, wie man folgender bei lichess erstellten Analyseübersicht meiner Partien entnehmen kann. Und auch vom harmonischen Turnierablauf her war es eine gelungene LEM, die beim nächsten Mal mehr Teilnehmer verdient hätte.

Sören Koop