Kommentar zu den Änderungen der Turnierordnung

In der letzten Saison mussten wir häufiger Bretter freilassen und kampflos verlieren. Da auch bei anderen Vereinen dieses Problem virulent war bzw. ist, wurde von Seiten des Schachverbands überlegt, wie man dieses Problem lösen kann; oberstes Ziel muss es ja sein, dass die Spiele sportlich entschieden werden. Heraus gekommen sind einige Änderungen der Turnierordnungen.

Bevor diese Änderungen kommentiert werden, möchte ich an die Wurzel des Problems gehen, von dem auch wir leider betroffen sind, und die Ursachen der freigelassenen Bretter thematisieren:

Das Grundproblem liegt für viele Vereine meines Erachtens darin, dass oft keine nachhaltige Jugendarbeit oder Mitgliedergewinnung erfolgt, wodurch die Anzahl aktiver Spieler stetig abnimmt. Die Ursache hierfür wiederum sehe ich darin, dass vielen Vereinen Mitglieder mit Zeit, Energie, Fähigkeiten und Motivation fehlen, die ehrenamtliche Arbeit und Mitgliedergewinnung leisten können und wollen (um erfolgreich ehrenamtlich tätig zu sein, braucht man schon alle vier Eigenschaften in einer Person). Ursächlich hierfür erscheint mir wiederum die gesamtgesellschaftliche Tendenz der Verdichtung des Alltags und der Arbeit, sodass für Hobbys kaum noch Zeit und Energie bleiben. Die Tendenz ist aus meiner Sicht eindeutig: Ein stetiger Rückgang der Mitglieder bzw. aktiven Spieler in vielen Vereinen – wobei es ein paar Ausnahmen äußerst erfolgreicher Vereine gibt, bei denen sich dann auch Spieler konzentrieren. Corona hingegen scheint mir in dieser Thematik „nur“ ein Verstärker und Beschleuniger dieser Tendenz zu sein.

Für umso begrüßenswerter halte ich es daher grundsätzlich, dass die Turnierordnung den neuen Gegebenheiten angepasst wird. Leider sind die Änderungen zur Problemlösung aus meiner Sicht vor allem für kleinere Vereine kaum hilfreich:

  • Dass nun 24 statt 20 Spieler gemeldet werden können, hilft Vereinen mit Aufstellungsproblemen eigentlich gar nicht. Denn das Grundproblem, dass es nicht genügend aktive Spieler gibt, bleibt ungelöst. Einzig große Vereine könnten hiervon profitieren.
  • Die erhöhten Bußgelder werden an dem Problem auch nichts ändern. Hinter den Bußgeldern steht meiner Meinung nach auch eine falsche Grundannahme – nämlich, dass Bretter aus strafwürdiger Unlust, Faulheit oder Gleichgültigkeit freigelassen werden. Bei einzelnen Spielern mag es diese Motive geben, aber wohl kaum bei den Vereinen – und die sind es, die mit den Bußgeldern bestraft werden. Wenn die bisherigen Bußgelder das Bretterfreilassen nicht verhindern konnten, erscheint es als wenig wahrscheinlich, dass höhere Bußgelder einen positiven Effekt haben werden (mit Ausnahme natürlich für die Kasse des Schachverbands). Sie könnten im Gegenteil sogar abschreckend wirken, sodass man lieber keine Mannschaft meldet.
  • Besonders bedauerlich ist aus meiner Sicht, dass der Antrag, der wirkliche Entlastung hätte bringen können (6 statt 8 Stammbretter), abgelehnt wurde.

Nun könnte man natürlich einwenden, dass es erstens das Problem der Vereine ist, wenn sie nicht genügend (neue) Spieler gewinnen können, und dass sie zweitens eine Mannschaft eben nur melden sollen, wenn sie sich sicher sind, dass sie zuverlässig spielt (um Bußgelder zu vermeiden).

Beide Argumente sind in der Sache sicher richtig, die Probleme einzelner Vereine können natürlich nicht vom Verband gelöst werden. Die Konsequenz daraus wird aber wohl ein weiterer Rückgang in der Breite der spielenden Mannschaften in den Ligen sein, was eigentlich in niemandes Interesse liegen kann.

Man könnte mir nun natürlich Lobbyismus vorwerfen, da ich für eine Turnierordnungsänderung (6 statt 8 Stammbretter) werbe, die uns zu Gute kommen würde. Das will ich auch gar nicht leugnen, sondern es unumwunden zugeben. Da es aber mein Eindruck ist, dass wir leider bei Weitem nicht der einzige Verein mit diesem Problem sind, denke ich, dass dieser „egoistische Wunsch“ auch im Sinne anderer Vereine sein sollte (wobei ich zugeben muss, dass ich keine Umfrage durchgeführt habe).

Abschließend muss ich auch zugeben, dass man mit der Reduzierung auf 6 Stammspieler  die aktuelle Tendenz (Vereinssterben in der Breite, Konzentration auf einige wenige Großvereine) auch nicht stoppen oder gar umkehren kann, man könnte sie aber zumindest verlangsamen.

Sören Koop