Landesliga Runde 10 – ein Pyrrhus-Sieg?

In der gestrigen 10. Runde der Landesliga gegen den Elmshorner SC ging es für die Erste darum, den vielleicht letzten Strohhalm in Richtung Klassenerhalt in Reichweite zu behalten. Durch glückliche Umstände konnten wir dieses Unterfangen in unserer besten Aufstellung der Saison angehen. Um nicht durch Ballsportler evtl. gestört zu werden, waren wir sicherheitshalber auch in die Aula der Gemeinschaftsschule ausgewichen, sodass wir frohen Mutes in die Partien gingen. Die Stellung links stammt dabei aus der Partie an Brett 1, Weiß spielte 1. Sfxh5: Wie sollte Schwarz hierauf reagieren? Lösung siehe unten.

Wolfgang (Brett 6) eröffnete den Wettkampf mit einem schnellen und unspektakulären Unentschieden, sodass er den Sonntag noch mit seiner Familie genießen konnte.

Längere Zeit passierte nun nichts, ehe ich (Brett 2) ebenfalls ein Unentschieden beisteuerte. In letzter Zeit spiele ich für meinen Geschmack etwas zu schnell etwas zu viele Unentschieden (wobei das besser ist als Niederlagen). Allerdings muss man sagen, dass ich aus der Eröffnung wenig bis nichts herausgeholt habe und ab dem Mittelspiel sogar eigentlich immer leicht schlechter stand, was mein Gegner aber zum Glück nicht zu einem greifbaren Vorteil verdichten konnte.

Aber nicht nur auf Grund meiner Stellung musste ich mit dem Unentschieden zufrieden sein, sondern auch, weil es insgesamt recht gut aussah. Jens stand zwar problematisch (siehe Aufgabe), mindestens ebenso gut wie Jens‘ Gegner stand aber auch Stefan. Helge und Michael standen meiner Einschätzung nach auch besser. Yorrick stand mit einem von Figuren unterstützen Mehr- und Freibauern im Mittelspiel auf d6 meines Erachtens sogar auf Gewinn, wobei er die Stellung trotzdem natürlich erst noch gegen seine um ca. 400 DWZ stärkere Gegnerin gewinnen müsste. Stephans Partie schließlich konnte ich nicht ganz einschätzen, sie schien mir aber ausgeglichen zu sein.

Dann kam der erste Big-Point des Spiels. Jens‘ Gegner (Brett 1) war an seiner eigenen guten Stellung zugrunde gegangen. Jedenfalls stand er so überwältigend gut auf Angriff (ca. +4), dass er gar nicht mehr auf etwaige gegnerische Drohungen achtete. Lösung der Aufgabe: So spielte er 1. Sfxh5 und gedachte einen vernichtenden Angriff gegen den schwarzen Monarchen vom Zaum zu brechen, musste aber schockiert feststellen, dass er nach 1. … La6 eine Qualität einbüßt (1. … gxh5 scheitert an 2. Dd1 mit entscheidendem Angriff). Selbst das ist aber noch nicht aller Tage Abend, so bewertet der Computer die Stellung „nur“ mit ca. -0,5 Vorteil für Schwarz. Wahrscheinlich durch den Schock war Jens‘ Gegner aber nicht mehr zu einer hartnäckigen Verteidigung im Stande, jedenfalls ließ Jens nichts mehr anbrennen und gewann recht bald.

Nun tat sich lange Zeit nichts, bis auf dass die Zeit an allen Brettern knapper wurde. Meine Prognose war zwar immer noch, dass wir gewinnen sollten. Bei noch komplexen Stellungen und Zeitnot schien mir das aber nun nicht mehr so sicher. Stephan (Brett 7) nahm vielleicht auch deshalb in wohl schon etwas besserer Stellung (allerdings ohne etwas Konkretes) die sichere Ausfahrt in den Remishafen.

Dann folgte der zweite, entscheidende und auch wichtige KO-Schlag. Yorrick (Brett 8) konnte seine Partie gewinnen. Nachdem er sich im frühen Mittelspiel (wie schon beschrieben) eine gewonnene Stellung erarbeitet hatte, verpasste er an einer Stelle eine günstige Abwicklung, die die Stellung vereinfacht und ihm die Initiative überlassen hätte. Stattdessen blieben noch mehr Figuren auf dem Brett, der weit vorgerückte Bauer wurde indirekt abgetauscht und seine Gegnerin bekam bedrohliches Spiel gegen Yorricks König. Hier sah ich die Partie schon kippen, denn der immer noch vorhandene Mehrbauer war in dieser Phase kein großer Faktor und die Drohungen waren sehr unangenehm. Yorricks größter Trumpf war dann auch die Zeitnot seiner Gegnerin. Diese brachte zum Glück die Entscheidung, da seine Gegnerin eine Fesselung übersah und einfach eine Figur einstellte. Eine gute Leistung von Yorrick, vor allem da er in schwieriger Stellung nicht den Kopf verlor.

Dieser Punkt zum zwischenzeitlichen 3,5:1,5 war wichtig, denn bei Michael und Helge, deren Stellungen ich eigentlich als sicher vorteilhaft eingestuft hatte, hatte sich das Blatt gewendet. Beide standen nun schlechter oder gar auf Verlust (so ganz sicher war ich mir hier nicht). Da jedoch Stefan (Brett 4) immer noch deutlich besser stand und gewinnen sollte, waren uns die 4,5 Brettpunkte zum Mannschaftssieg wohl nicht mehr zu nehmen. Und dieser Sieg ließ auch nicht mehr lange auf sich warten, Stefan gewann. Seit dem 6. Zug hatte Stefan eigentlich die ganze Zeit besser gestanden und konsequent Druck aufgebaut. Sein Gegner hatte aber noch erstaunlich zäh gespielt und mit seinem hartnäckigen und keine Nerven zeigenden Widerstand Stefan beinah entnervt, da er in Zeitnot sogar eine Prise Taktik einstreute. Stefans Stellung war aber so gut, dass er ihm diese Taktik-Suppe versalzen konnte und die Partie letztlich zu dem bekannten Ende führte.

Dass der Mannschaftssieg nun in trockenen Tüchern war, entspannte mich ungemein beim Zuschauen. Ansonsten hätte es mich bei Michaels (Brett 5) Stellung wohl noch mehr gegruselt. Wo hier was schief gelaufen ist, habe ich nicht mitbekommen. Jedenfall hatte sein Gegner zuerst irgendwie Spiel auf Michaels König erhalten und später bei weiterhim anhaltenden Spiel gegen den König eine Qualität gewonnen. Michael versuchte noch alles, doch gegen diese Nachteile war leider kein Kraut mehr gewachsen, sodass er aufgeben musste.

Blieb nur noch Helge (Brett 3). Vorteilhaft aus der Eröffnung gekommen, hätte er im Mittelspiel an einer Stelle einfach den Zentralbauern auf d4 wegen einer Fesselung einzügig schlagen können. Leider bemerkte er dies erst nach seinem Zug und war ob der verpassten Gelegenheit danach so verwirrt, wie er das hatte übersehen können (die fehlende Spielpraxis durch Corona hat eben doch ihren Tribut gefordert), dass er den Faden verlor und sich in einer schlechteren Stellung wiederfand. Irgendwie kam er dann noch in ein Turmendspiel mit Minusbauer, wo ihm dann zum Glück ein Beweis für das geflügelte Wort „alle Turmendspiele sind remis“ gelang.

Trotz dieses 5:3-Sieges bleiben wir auf dem 9. Tabellenplatz (bei 12 Mannschaften; Tabelle und weitere Ergebnisse beim Ergebnisdienst), was bei vier oder fünf Absteigern, leider noch ein Abstiegsplatz ist. So sind wir auch in der Situation, dass sich trotz des Sieges unsere Chancen auf den Klassenerhalt laut Ligaorakel verschlechtert haben. Dazu kann ich nur ironisch sagen: „Noch so ein Sieg – und wir sind verloren.“ Es bleibt also nur zu hoffen, dass wir in den letzten vier Runden den Nachweis erbringen können, dass Statistik-Theorie und Schach-Praxis zwei verschiedene paar Schuhe sind, dass wir die letzten 2,9% Klassenerhaltschance ergreifen können – irgendein Mannschaftssieg sollte unsere Chancen nämlich schon signifikant erhöhen. Am besten tun wir dies schon in der nächsten Runde am 22. Mai in Leck, wobei dies zugegenben ein ziemlich dickes Brett wird (die Mannschaft von Leck ist um einige Spieler aus Flensburg verstärkt, spielt konstant nahezu in Bestbesetzung und ist mit fast 150 km Entfernung ein eher undankbares Auswärtsspiel). Leider sind unsere übrigen Gegner auch nicht viel leichter, sodass ich emotional zwar sagen würde, dass wir bei noch vier offenen Runden noch alle Chancen haben, rational aber zugeben muss, dass ich die Wettquote des Ligaorakels doch auch irgendwo nachvollziehen kann…